Im Investitionsgütersektor stößt man häufig auf Produkte, die auf individuellen Kundenwunsch gefertigt werden. Insbesondere im Sondermaschinenbau und Anlagenbau ist das der Fall. Aus Kundensicht spricht auf den ersten Blick vieles für individuelle Fertigung und Auslegung des „Produktes“ nach seinen Vorgaben. Auch aus Vertriebssicht ist das Argument: „wir bieten keinen Standard – bei uns ist alles auf den jeweiligen Kunden zugeschnitten“, reizvoll. Auf den zweiten Blick allerdings überwiegen die Nachteile einer geringen Standardisierung- bzw. Modularisierung.
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Modularisierung vs. Standardisierung
Standardisierung umfasst die Verwendung gleicher Teile, Komponenten und Module und verringert damit Komplexität und Variantenvielfalt. Die Kombination der Module (Baukastenprinzip, Plattform) ermöglicht unterschiedliche Produkte je nach Zielgruppe. Skoda Octavia und und Audi TT beruhen auf einer Plattform, verwenden zu mehr als 50 Prozent gleiche Teile und sind trotzdem für unterschiedliche Zielgruppen konzipiert. Die erzielbare Marge weicht je nach Zielgruppe zum Teil erheblich voneinander ab.
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Effekte der Modularisierung
Neben dem Effekt, dass unterschiedliche Kundensegmente mit voneinander abweichender Kaufkraft angesprochen werden können, zeigen sich weitere positive Auswirkungen eines modularen Produktportfolios. Durch die Verwendung gleicher Teile und Komponenten und dem daraus resultierenden Stückzahleneffekt, ergeben sich wesentliche Kostenvorteile. Die Einzelkosten können dabei sogar höher sein, als ohne Umsetzung ener Modulstrategie. Durch die höhere Stückzahl und die damit verbundenen höheren Einkaufsvolumina ergeben sich aber Ersparnisse im Einkauf. Außerdem werden durch höhere Wiederholungsraten auch Prozesskosten verringert z.B. durch Reduktion von Produktions- und Entwicklungszeiten, Optimierung von Montage – und Inbetriebnahmeaufwand und durch die mit Veringerung der Komplexität einhergehende Minimierung von Fehlleistungen.
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Was bedeutet Modularisierung für die Entwicklung?
Im Grunde muss man sich im Zuge der Modularisierung vom Produktgedanken lösen. Statt Produkte zu entwickeln und zu testen, werden Module entwickelt und getestet. Am Ende des Entwicklungsprozess erfolgt eine Systemintegration – das heißt Module müssen über die zuvor definierten Schnittstellen in den vorgesehenen Varianten einsetzbar sein. Als Entwickler muss man sich die Frage stellen, wie ein Modul aussehen muss, damit es später unabhängig von wechselnden Kundenanforderungen einsetzbar ist. Die größte Schwierigkeit besteht dabei in der Schnittstellendefinition.
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Herausforderung für IT und Vertrieb
Ohne die notwendigen IT-seitigen Voraussetzungen kann ein modularer Variantenaufbau nicht erfolgen. Das betrifft insbesondere die Abbildung strukturierter Stücklisten auf Produktebene, Modulebene und auf Teileebene. Eine weitere große Hürde besteht in der Veränderung der Vertriebsarbeit – konkret in der Wandlung vom Projektvertrieb hin zum Produkt bzw. Modulvertrieb. Vertriebsanreize können durch Deckungsbeitragsziele geschaffen werden.
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Vorsicht vor übermäßiger Modularisierung
Nicht immer hat Modularisierung den gewünschten Effekt eines besseren Betriebsergebnisses. Werden die Standards nicht sorgsam gelegt bzw. falsche Modulvarianten gebildet, kann der Effekt schnell ins Negative umschlagen. Im Falle des Anlagenbaus gilt es z.B. häufig den Anforderungen von Ausschreibungen zu entsprechen. Ist dies nicht möglich, z.B. weil der Standard die Möglichkeit zur individuellen Anlagenauslegung hemmt, bleibt häufig nur ein Nebenangebot. In den meisten Fällen bedeutet das bereits ein Ausscheiden aus dem Bewerbungsprozess.
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